Number Pieces
In den letzten sechs Jahren seines Lebens (1986–1992) komponierte Cage eine
Serie so genannter number pieces („Zahlenstücke“). Insgesamt handelt es sich um
52 Kompositionen für einen bis 108 Musiker. Die Stücke sind nur nach der Anzahl
der vorgesehenen Musiker benannt. Gibt es mehrere Stücke mit einer bestimmten
Zahl von Interpreten, wird dies durch hochgestellte Zahlen angegeben. Four² ist
demnach das zweite Stück für vier Musiker.
In den meisten Kompositionen dieser Serie gibt Cage für jeden Klang durch die von
ihm so genannten Zeitklammern („time brackets“) flexible Zeiträume an, in denen
die Klänge beginnen und enden müssen.
Beispiele für Zahlenstücke:
Four6 unspecified March 1992
Pauline Oliveros, Joan La Barbara, William Winant and Leonard Stein
Each performer chooses 12 different sounds and plays within flexible time brackets. The sounds must have fixed amplitude, overtone structure, etc.
The first performer’s part may be performed solo, as One7.
Alle fünf number pieces beruhen auf dem von Cage oft eingesetzten Time-Brackets-Prinzip . Jeder Spieler folgt einer zeitlich individuell festgelegten Aktion, die mittels Stoppuhren koordiniert werden. Innerhalb einer bestimmten Zeitdauer erklingen notierte Aktionen, die meist nur einige der Parameter Tonhöhe, Dauer, Dynamik, Klangeigenschaften oder Reihenfolge vorgeben. Jedes Stück entwickelt somit eine eigene Klangskulptur, die einer fortdauernden Transformation folgt. Und jedes Stück klingt bei jeder Aufführung anders. Umberto Eco sah in dem Schaffen von Cage das auf die Musik übertragene offene Kunstwerk, das sich hier durch die Freiheit und somit Wahlmöglichkeit des Einzelnen kennzeichnet.
Die transparente Struktur der number pieces verlangt musikalisch ein Ritual für jeden Ton, für jedes Geräusch, für die Stille.“ If you celebrate it, it’s art, if you don’t, it isn’t“ – dieses bekannte Zitat von Cage bildet in den number pieces die Voraussetzung zur Realisierung seiner kompositorischen Idee.
Der einstige Solointerpret des Philharmonischen Orchesters Heidelberg und Mitbegründer des Weltmusik Ensembles „arkestra convolt“ Michael Schneider spielt und improvisiert gemeinsam mit der Sängerin und Vokalkünstlerin Paulina Tyszka die Cellosuite II in d-moll von Johann Sebastian Bach. Während des Spiels spontan aber entdecken die beiden immer wieder Gelegenheiten, vom Original abzuweichen. Sie legen Pause ein für eine musikalische Zwischenmahlzeit in anderen Regionen und Sphären – bis sie ein
Schlupfloch zurück zum Original finden, um dort wieder fortzufahren.
Die eine Facette wird inspiriert von „Play Bach“, die andere ist die Befreiung von deren Notentext. Der Zuhörer verliert trotzdem nie den Bezug zum Original – zu klangvoll schwingt im Untergrund die wunderbare Musik des verehrten Meisters weiter.
Das Interludium zwischen den Suiten gestalten die Sängerin und der Instrumentalist zusammen mit ihrem „Special Guest“, der Klangkünstlerin Monika Golla. Hier erleben Sie die d-moll Suite in Klangzitaten, zerlegt in Einzelteile, ein Puzzle, scheinbar zerfleddert wie die Musik von John Cage. Bleibt sie nun stehen, geht sie weiter? Dreht sie sich im Kreis um sich selbst? Wann beginnt sie überhaupt? Diese Fragen können Ihnen erst nach dem Konzert beantwortet werden, denn es ist, als handele es sich an dem Abend auch um die weltberühmte Komposition von Charles Ives: „The unanswered question „…
Mitwirkende:
Paulina Tyszka, Monika Golla, Claus Rosenfelder, Michael Schneider